Wie häufig bist Du schon über diese kleinen Messingplatten gestolpert, die in Würzburg im Boden verlegt sind? Vielleicht ist es kein richtiges Stolpern, eher ein Stolpern im Kopf, ein Stolpern im Herzen, wenn Dir auffällt, dass zu Deinen Füßen auf 10x10cm ein ganzes Leben und ein grausamer Tod eingraviert ist. Namen, die Du sonst nie kennen würdest. Geschichten, von denen Du nichts wissen würdest.
In Europa sind mittlerweile über 56.000 dieser Stolpersteine verlegt worden, die an die Menschen erinnern sollen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Darunter befanden sich neben Jüd*innen auch Sinti und Roma, People of Colour*, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung und politisch Verfolgte.
Die Steine markieren Tatorte von Deportationen, die häufig inmitten dicht besiedelter Gebiete lagen. Damit wird die Behauptung einiger Zeitzeug*innen, sie hätten nichts von den Deportationen gewusst, als Lüge entlarvt. Auf manchen Steinen steht auch, dass die deportierten und ermordeten Menschen von ihren Nachbar*innen denunziert wurden.
Dennoch ist das Projekt nicht unkritisch zu betrachten. Menschen laufen täglich gedankenlos über die Steine, „treten sie mit Füßen“ und nehmen sich nicht die Zeit, kurz denen zu Gedenken, die Opfer des NS-Regimes wurden. Auch werden die Steine immer wieder zu Zielobjekten rechtsradikaler Schmierereien. Auf manchen Steinen finden sich die Vorwürfe, die den Deportierten gemacht wurden im Jargon der Nationalsozialist*innen, was von vielen Menschen vehement kritisiert wird.
Und trotzdem ist es eine Form, die Namen der Ermordeten des NS-Terrors zurück an die Orte ihres Lebens zu bringen. An Orte, wo auch heute noch Menschen leben, die vielleicht inne halten, sich bücken, lesen und einen achtsamen Moment denen schenken, die von den Nationalsozialist*innen ermordet wurden.
Wir putzen am Dienstag Nachmittag die Steine, weil wir inne halten wollen, weil wir gedenken wollen. Der Holocaust und die systematische Ermordung von Millionen von Menschen, die nicht in die faschistische Ideologie passen, ist auf grausame Weise ein unvergleichliches Verbrechen. Grade in Zeiten, in denen rechte Parteien und Kräfte wieder erstarken, finden wir antifaschistische Arbeit und eine lebendige Erinnerungskultur umso wichtiger.
*PoC: nicht weiße Menschen
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