„Greta-Hass“

CN Misogyny Ableism Murder Rape Food

„Radikal“, „demokratiefeindlich“, „Ökodiktatur“, „Klimajünger“, „Produkt Greta“, … Das sind nur die in Zeitungen abgedruckten, „sachlichen“ Meinungen über Greta Thunberg. Im Internet geht es ganz anders zu.

Widerlichste Misogynie, Aufrufe zu Mord und Vergewaltigung, Sexualisierung eines 16-jährigen Mädchens seitens erwachsener Männer, purer Hass. Kritik an ihr würde behandelt wie „Gotteslästerung“. Das Schema gleicht der Flüchtlingsdebatte und den Aussagen á la „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen“, „Meinungsdiktatur“ und „Ich bin ja kein Nazi, aber …“. „Krank“, und viele unschöne Beleidigungen zu diesem Thema. Auch Friedrich Merz äußerte sich in einem Interview mit der AA besorgt. Greta sei krank. Deshalb stelle er sich die Frage: „Was machen die Eltern mit diesem Mädchen? (…) Irgendwie bleibt bei mir da ein Störgefühl zurück“ Nun hat es die 16-jährige Klimaaktivistin auch noch gewagt in einer Rede vor der UN emotional zu werden! Wie konnte sie nur?! Doch woher dieser extreme Hass auf Greta?

a) sie ist jung. Sogar der 30-jährige Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert wird von älteren Politiker*innen als „Junge“ bezeichnet, was soll also eine Teenagerin erwarten?

b) sie ist weiblich. Eine Frau äußert im Patriarchat öffentlich ihre Meinung! Skandal! Dabei gehören Frauen doch in die Küche! Und eine eigene Meinung haben sollten sie sowieso nicht – es sei denn, sie unterstützen dabei ihren Ehemann.

c) sie hat Recht. Faktisch und moralisch im Recht zu sein, bringt die Person, die anderer Meinung ist in die Defensive. Beispiel: Person A kauft für 88ct bei Aldi eine ganze Ente, Person B ist Veganer*in. A wird, da sie weiß, dass sie eigentlich moralisch fragwürdig handelt, ihr Verhalten überspielen, indem sie Veganerwitze macht oder B angreift und beleidigt. Getroffene Hunde bellen.

Wir haben hier also eine junge Frau, die wissenschaftliche Fakten aufzählt (was im Fake News Zeitalter der Chemtrails und Aldebaraner nie gut ankommt), eine starke Meinung hat und auch noch eine Bewegung gestartet hat. Achtung, Achtung, das Patriarchat geht unter! Viele Menschen fühlen sich von Greta Thunberg bedroht. Doch wer? Wenn ich raten müsste: sie sind weiß, hetero und cis-männlich. Die sogenannte Norm oder angebliche Mehrheit unserer Gesellschaft. Es heißt, Fridays for Future und ihre Forderungen wären nicht mit der Demokratie vereinbar. Es wäre schließlich ungerecht, wenn junge Menschen, die noch dazu einen geradezu unerhört hohen Frauen-Anteil haben, plötzlich ernst genommen werden. Damit wird „die Mehrheit“ ja benachteiligt. Es wird also eine „gerechte“ Demokratie gefordert. Doch ist unsere Demokratie denn gerecht? Im Patriarchat werden Frauen benachteiligt. Es kann also nicht gerecht sein! Im Kapitalismus werden reiche Menschen bevorzugt und ärmere Menschen – besonders außerhalb unserer europäischen Wohlfühlzone – brutal ausgebeutet. Es gibt Krieg und Sklaverei. Also auch nicht gerecht! In einer cis-heteronormativen Gesellschaft, werden LGBTIQ-Personen diskriminiert. Sie gelten bis heute in weiten Teilen der Gesellschaft als „nicht normal“, „krank“ oder „Sünde vor Gott“. Gerecht? Definitiv nicht! In einer weißen Mehrheitsgesellschaft, werden BIPoC systematisch diskriminiert, rassistisch beleidigt und vorverurteilt. Außerdem beruht unser Wohlstand auf der Kolonialisierung und Ausbeutung von Afrika und Amerika. Absolut ungerecht! Von Andersgläubigen im „christlichen“ Abendland fangen wir gar nicht erst an. Es gibt bereits genug Verschwörungstheorien über Greta und die „jüdische Weltverschwörung“, die hinter ihr stehe. Unsere „Demokratie“ ist also von Grund auf ungerecht. Sie kommt ausschließlich dem weißen, cis-heteronormativen, reichen, christlichen Mann zugute. Dies ist unsere Norm. Wenn die Norm plötzlich in irgendeiner Art angegriffen wird, ihre Privilegien auf einmal teilen muss, schlägt sie um sich. Und das kann sich auch in Mord- und Vergewaltigungsandrohungen gegen ein 16-jähriges Mädchen äußern. Im Internetzeitalter sollte es nicht so schwer sein, sich zu informieren. Den meisten von uns ist bewusst, dass Vielfliegen und (übermäßiger) Fleischkonsum klimaschädlich sind. Trotzdem tun wir es. Nicht darüber nachzudenken ist schließlich einfacher, als sein eigenes Verhalten zu reflektieren und etwas daran zu ändern. Uns ist auch bewusst, wie schlimm Tiere in der Massentierhaltung gequält werden, dennoch sind wir jedes Mal wieder überrascht, wenn ein Video von Tierquälerei in Betrieben veröffentlicht wird. Dann haben wir natürlich nicht gewusst, dass es der Ente für 88ct nicht gut ging. In ein paar Jahrzehnten, wenn die Erde brennt, wird es ebenfalls heißen, „Wir wussten das nicht! Wer hätte damals schon wissen können, dass das Klima wirklich bedroht ist“. Aber im „Wir haben von nichts gewusst“ waren die Deutschen ja schon immer gut.