Kommentar: Sexuelle-Orientierung-und-geschlechtliche-Identität-Schutz-Gesetz

„Es ist ok, so wie du bist.“ – Mit diesem Satz bewirbt das Bundesministerium für Gesundheit unter Jens Spahn den Gesetzesentwurf zum Verbot von „Konversionstherapien“¹. Doch anstatt einer Verbesserung gleicht der Entwurf eher einem Schlag ins Gesicht aller Betroffenen.

Im Juni diesen Jahres haben wir zusammen mit und Queer Pride Würzburg für ein Verbot von Konversionstherapien demonstriert. Anlass war der evangelikale APS-Kongress (Akademie für Psychotherapie und Seelsorge), welcher im Congress Centrum stattfand. Am Kongress beteiligte Gruppen werden direkte Kontakte zu Therapeut*innen vorgeworfen, welche Konversionstherapien durchführen. Wir wiesen auf die von einzelnen Gruppen vertretene Ansicht, Homosexualität (& eine allg. Abweichung von cis Heterosexualität) sei eine Krankheit, hin.

Hier sei festgehalten: Das Nichterfüllen der Heteronormativität unserer Gesellschaft ist keine Krankheit!

Wer unterzieht sich Konversionstherapien?

Voraussetzung für die Existenz dieser Therapieform ist die homo- und transphobe Gesellschaft in der wir leben. Ohne homo- und transfeindliche Sozialisierung, würde sich wohl kaum jemensch für solch eine Therapie entscheiden. Betroffene erfahren von unserer Gesellschaft, dass sie nicht „normal“ seien. Ohne Aufklärung liegt ihnen der Gedanke nahe, sich zu assimilieren. Ein seriös wirkendes Angebot durch Therapeut*innen, das die Heilung dieser „Anormalität“ verspricht, wird, sofern die daraus entstehenden Folgen nicht vermittelt werden, gerne angenommen. Oftmals werden Menschen aber auch aktiv von Bekannten und Verwandten dazu gedrängt. Queere Kinder werden von ihren Eltern zur Therapie geschickt, sobald sie sich als nicht-heterosexuell oder nicht-cis outen. In kirchlichen/evangelikalen Gemeinschaften werden Menschen, unter Drohung des Ausschlusses oder der sozialen Ausgrenzung, dazu überredet, sich einer Konversionstherapie zu unterziehen.

Warum müssen Konversionstherapien verboten werden?

Betroffene würden sich, ohne äußerlichem Druck durch Gesellschaft und Mitmenschen, nicht als „krank“ ansehen oder nach vermeindlicher Heilung suchen. Wie bereits dargelegt, erfolgen Konversionstherapien hauptsächlich aufgrund von gesellschaftlichen Zwängen. Dadurch lernen Betroffene, dass sie, so wie sie sind, falsch wären. Sie werden in ihrer Existenz angegriffen und sollen sich verstellen, um von Gesellschaft und ihren Mitmenschen akzeptiert zu werden. Dies hat enormen psychischen Druck zur Folge, welcher durch Konversionstherapien noch weiter bestärkt wird. Nun ist die Wirksamkeit solcher Therapien nicht belegt. Das könnte zu großen Teilen daran liegen, dass es sich bei Sexualität und Geschlecht nicht um eine Krankheit handelt, die folglich auch nicht geheilt werden kann. Menschen beenden die Therapie also so, wie sie sie begonnen haben. Mehrere Studien zeigen, dass Konversionstherapien zu schweren Traumata, Suizidversuchen und weiterem psychischem Leid führen können.³ Betroffene, die an die Wirkung der Therapie glauben und sich in manchen Fällen mehrfach dieser Prozedur unterziehen, verzweifeln an dem Ausbleiben der „Heilung“. Nur ein konsequentes Verbot von Behandlungen, die bewirken, dass Betroffene ihre Sexualität oder ihr Geschlecht anzweifeln oder das Ziel haben, diese Eigenschaften zu ändern, kann Menschen vor unnötigem Leid schützen.

Was sieht der Gesetzesentwurf vor?

Richtig wird erkannt: „Weder bei nicht heterosexuellen Formen der Sexualität noch bei der Trans- oder Intersexualität als solcher handelt es sich um eine Krankheit. Daher bedürfen sie auch keiner medizinischen Behandlung.“ Für viele ist es deshalb der logische nächste Schritt diese zu verbieten. Genau das sieht der Entwurf aber nicht vor: Verboten werden soll die Behandlung „an einer Person unter 18 Jahren […] oder an einer Person […], deren Einwilligung zur Durchführung der Behandlung unter einem Willensmangel leidet.“ Hinzu kommt eine Ausnahme für Personen ab 16 Jahren, sofern diese „über die erforderliche Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung und Tragweite der Entscheidung verfügt.“ Während aktuell kein Gesetz zu dieser Thematik existiert, schafft das „Sexuelle-Orientierung-und-geschlechtliche-Identität-Schutz-Gesetz (SOGISchutzG)“ also statt einem Verbot die Anleitung zur legalen Durchführung von Konversionstherapien. Die einzigen Voraussetzungen – die Betroffenen sind nicht jünger als 16 Jahre und haben keinen „Willensmangel“ – sind lasch. Des Weiteren ist ein „Willensmangel“ vor Gericht wohl kaum nachzuweisen. Mit diesem Gesetz können Therapeut*innen sich rechtlich absichern und medizinisch unnütze, dafür aber psychisch höchst schädliche Therapien ganz legal und staatlich legitimiert durchführen.

Wir fordern eine grundlegende Änderung dieses Entwurfs! Schluss mit Konversionstherapien! Für eine offene Gesellschaft, die queere Menschen als solche schätzt und nicht mit heteronormativen Zwängen ein Leben lang quält!