Prozess gegen prokurdischen Demonstranten

Am 1.12. fand der Prozess gegen einen prokurdischen Demonstranten am Amtsgericht Würzburg statt. Er hatte bei einem Gegenprotest gegen die türkischen Nationalist*innen der UETD ein Plakat hochgehalten mit der Aufschrift „Solidarity with the freedom fighters of Rojava. Down with IS, fundamentalism and patriarchy“. Zudem war eine kurdische Kämpferin und die kurdische Sonne abgebildet. Bei diesem Gegenprotest wurde ihm das Plakat von einem polizeilichen Greiftrupp entrissen und beschlagnahmt, wobei dieses zu Schaden kam; er wurde abgeführt, durchsucht und mit zwei Anzeigen konfrontiert. Zum einen wurde das Halten des Plakates kriminalisiert, da das Symbol der KCK vermutet wurde, zum anderen wurde ihm der falsche Vorwurf gemacht, er hätte einen Bullen beleidigt („Du kannst mich mal!“)

Beim Prozess erschienen viele solidarische Menschen im Zuschauerraum. Der Jugendrichter Krieger versuchte den politischen Kontext des Verfahrens von Anfang an zu leugnen. Als der Angeklagte zu seiner Verteidigung die Bedeutung des Gegenprotestes erläuterte und auf das faschistische Weltbild der UETD-Demonstrant*innen zu sprechen kam, wurde er abgeblockt mit den Worten „Das kann man alles im Internet nachlesen. Das ist unwichtig für den Prozess“. Auch als die Anwältin politisch argumentierte, fiel der Richter ihr ins Wort: „Plädieren können Sie später. Plädieren können Sie später. Plädieren können Sie später!“ Durch dieses Auftreten des Richters machte sich eine gewisse aufgezeizte Stimmung bemerkbar. Nachdem der Anwältin kein politisches Statement erlaubt wurde, verwies sie auf die Unglaubwürdigkeit der Polizei, die behauptete, nicht mitgeilmt zu haben, was jedoch auf kursierenden Internetvideos zu sehen ist. Hierbei ließe sich zumindest der Vorwurf der Beleidigung widerlegen. Richter und Staatsanwalt zeigten hierfür kein Interesse, der Richter meinte wortwörtlich, es sei ihm „scheißegal“; der Staatsanwalt musste einräumen, diese sehr einfach zu findenden Videos in seiner mehrmonatigen Vorbereitungszeit nicht gesehen zu haben.

Der erste Bullenzeuge Horn wurde angehört. Das Gespräch zwischen Richter und Bulle lief ähnlich angespannt wie zuvor mit dem Angeklagten. Das liegt an der rhetorischen Unfähigkeit des Bullen, der die Fragen nicht konkret beantwortete und ausschwiff, wodurch der Richter wütend wurde. Letztlich sagte er, dass er keine Beleidigung gegen seinen Kollegen Kopp mitbekommen habe, obwohl er die ganze Zeit etwa 1-2 Meter vom Angeklagten entfernt stand.

Als schließlich der zweite Bullenzeuge und angeblich Geschädigter Kopp aussagte, gipfelte die Peinlichkeit für die Staatsanwaltschaft. Zur Beleidigung meinte er, dass diese nie gefallen sei. Als der Richter darauf hinwies, dass dies in der Anklage stehe und die schriftliche Aussage des Bullen diesen Vorwurf beinhaltete, fragte der Bulle: „Das hab ich gesagt?“ Offensichtlich war damit der Anklagepunkt der Beleidigung falsch und die Unterstellung gegenüber dem Angeklagten willkürlich. Als der Staatsanwalt merkte, dass sich die Chancen für den Angeklagten verbesserten, versuchte er dem Bullen „auf die Sprünge zu helfen“, indem er suggestive Fragen stellte und sich doch noch erhoffte, er würde den Angeklagten beschuldigen („Sind Sie sich wirklich ganz sicher? Gibt es nicht doch noch ein paar Kollegen, die das mitbekommen hätten?“) Hier zeigte sich mal wieder der eiserne Willen der Staatsanwaltschaft, Menschen, die in einem politischen Prozess stehen, zu schaden, wo es nur geht. Doch nicht nur für die Anwältin, sondern auch für den Richter war dieser Punkt hinfällig geworden. Bleibt jedoch der fade Beigeschmack der Verhandlung, dass Bullen in ihren Ermittlungen lügen und konstruieren können, was sie wollen.

Auf Ende zu sah man beim Richter eine gewisse Betrübtheit über das Verfahren. So sprach er von einem „kaputten Verfahren“ und plädierte dafür, die Verhandlung einzustellen und dem Angeklagten das Plakat wieder auszuhändigen. Begründet wurde dieser Vorschlag mit den Worten „Ich hab keine Ahnung, ob dieses Plakat strafbar ist. Und wenn ich das nicht weiß, kann er es auch nicht wissen.“ Man merkte, dass dem Richter der Vorwurf lächerlich erschien und er sich auch in der Frage um kurdische Organisationen und deren Symbole keineswegs auskannte. Die Herausgabe des Plakats wurde vom Staatsanwalt jedoch verhindert. Es müsse für weitere Nachforschungen in der Aufbewahrungskammer bleiben.

Im Plädoyer sprach sich der Staatsanwalt dafür aus, den Angeklagten in beiden Fällen schuldig zu sprechen. Das Plakat sei definitiv verboten und die Beleidigung sei trotzdem gefallen- sie stehe ja in den Akten- auch wenn sich die zwei Bullenzeugen nicht daran erinnern können. Jedoch plädierte er für das Jugendstrafrecht, da ein solches Verhalten „typisch für Jugendliche“ sei. Mit diesem „typischen“ Verhalten meinte er wohl das Grundrecht auf legitimen Protest.

Der Richter, dem das alles sehr unangenehm erschien, sprach den Angeklagten jedoch frei. Beschämend musste er zugeben, dass es sich bei diesem Verfahren um „kein Ruhmesblatt für unseren Staat“ handelte. Um noch ein paar pädagogische Worte mit auf den Weg zu geben, meinte er: „Wir konnten Ihnen keine Straftat nachweisen, aber geben Sie sich doch nicht der Gefahr einer solchen aus.“

Das bedeutet im Klartext: Gehen Sie nicht auf Demonstrationen! Lassen Sie die UETD und Grauen Wölfe unbeachtet in Würzburg aufmarschieren! Bleiben Sie lieber zuhause und akzeptieren Sie den Zustand dieser Welt, wie er ist!

Warum? Man könnte ja Gefahr laufen, einer Straftat, die man nie begangen hat, angezeigt zu werden. Durch das Halten eines legal erhältlichen Plakats zum Beispiel. Oder durch die Lügen von Bullen, die einfach aus dem Nichts Beleidigungen erfinden können.

Der Richter hatte recht, das Verfahren war „kein Ruhmesblatt“. Sein Aufruf zur Apathie jedoch auch nicht!

Solidarität statt Repression – Kundgebung

Samstag, 27.02.2016, ab 14 Uhr
Oberer Markt in Würzburg

Seit Jahren kritisieren wir die politische Verfolgung unseres antifaschistischen Engagements durch Polizei und Justiz. Trotz dieser Kritik müssen wir feststellen, dass keine Verbesserungen eingetreten sind.

Seien es Blockadeversuche von rechten Aufmärschen oder legitimer Protest an Jobmessen. – unser Aktivismus ist den staatlichen Behörden ein Dorn im Auge und es hagelt auch weiterhin Verfahren gegen uns. Friedliche Sitzblockaden, wie zum Beispiel gegen eine NPD-Demo im März 2015, werden nahezu immer gewalttätig aufgelöst, während die Teilnehmenden obendrein noch Anzeigen wegen „Nötigung“ oder „Hausfriedensbruch“ erhalten. Die Option, solchen friedlichen Protest als zivilen Ungehorsam zu betrachten, wird bei den Würzburger Behörden nicht berücksichtigt. Antifaschistischer Protest, der gerade in diesen Zeiten, in denen täglich Flüchtlingsheime brennen, so wichtig erscheint, wird gnadenlos verfolgt.

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Pressemitteilung: Kritik verhindern um jeden Preis!

Am 11.11.2014 fand, so wie jedes Jahr, eine Jobmesse an der Universität Würzburg statt, bei der auch die Bundeswehr einen Werbestand hatte. Da durch das Wegfallen der Wehrpflicht seit ein paar Jahren verstärkt öffentliche Werbung für diese Institution gemacht wird, sind solche Werbestände in Schulen, Universitäten oder eben Jobmessen nichts Ungewöhnliches mehr. Der Trend der Bundeswehrwerbung macht sogar vor Teenie-Zeitungen wie der BRAVO nicht Halt. Es wird bewusst auf die junge Generation zugegangen, wobei dieser Beruf verharmlost und idealisiert wird.

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Silvester zu den Knästen!

Wieder einmal stehen wir kurz vor der Jahreswende. Die Menschen feiern den Rutsch ins neue Jahr und vergessen dabei meist die, die sich in Gefangenschaft befinden. Der Aufenthalt im Knast kann eine psychische und physische Folter sein, die vom deutschen Staat gerne dazu verwendet wird, Menschen zu brechen und gefügig zu machen. Gerade zur Weihnachtszeit und an Silvester geht es inhaftierten Menschen besonders schlecht, da sie nicht wie alle anderen bei ihren Liebsten sein können. Oft beherrschen Depression und Traurigkeit gerade jetzt den Gefängnisalltag. Continue reading „Silvester zu den Knästen!“

„Das Amtsgericht bin ich!“

Presseerklärung Gerichtsprozess

Auch durch –unserer Meinung nach- verfälschte Berichterstattung in der Würzburger Lokalpresse, bleibt uns keine Option als eine mediale Richtigstellung zu den Vorkommnissen an diesem Mittwoch.

Am 9.12.2015 wurde ein junger Antirassist vor das Amtsgericht Würzburg gestellt. Ihm wird vorgeworfen, einen Bundespolizisten am 10.04.2015 in Bahnhofsnähe in Würzburg mit „Du Rassist!“ beleidigt zu haben. Hintergrund war hierbei eine Polizeikontrolle gegen aus Somalia stammende Menschen, die sich im Zeitraum der europaweiten Polizeioperation „Amberlight“ abspielte und deshalb in diesem Kontext betrachtet werden muss. „Amberlight“ hatte die Intention, Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung an Verkehrsknotenpunkten aufzugreifen, um sie aus Deutschland/Europa abzuschieben. Bei solchen polizeilichen Maßnahmen gegen Geflüchtete kommt es immer zum sogenannten „Racial Profiling“, also der gezielten Kontrolle von Dunkelhäutigen. Dass dies gegen das Diskriminierungsverbot verstößt, wird dabei leider regelmäßig missachtet. Wird „Racial Profiling“ angewandt, so handelt es sich zweifelsohne um eine diskriminierende Maßnahme, deren einziger Verdachtsbeleg die Hautfarbe darstellt.
Nachdem der engagierte Antirassist mit anderen eine Zeit lang der Polizeikontrolle zusah, mischte er sich ein, als die verunsicherten Somalier es nicht schafften –wie verlangt- einen Koffer zu öffnen, der Ton der Bundespolizei schroffer wurde und eine somalische Frau schließlich anfing zu weinen. Auch gab es nach Aussagen der Anwesenden Verständigungsprobleme zwischen Polizei und Kontrollierten, sowie die Forderung der Polizei, die Aufenthaltsgenehmigungen zu überprüfen. Nach der Aussage „Das ist eine rassistische Polizeikontrolle“ wurden Personalien des späteren Angeklagten verlangt und schon wenige Tage später erfuhr dieser, dass er wegen „Beleidigung“ angezeigt wurde. In dieser war allerdings nicht von der Tatsachenfeststellung („rassistische Kontrolle“), sondern auch von der angeblichen Bezeichnung „Du Rassist!“, die Rede.

Beim Prozess am 09.12. befanden sich viele Zuschauer im Gerichtssaal und bei der zeitgleich in der Nähe des Gerichtgebäudes stattfindenden Solidaritätskundgebung. Der Angeklagte betonte seinen Standpunkt und seine Intention des Einschreitens, wobei er sich als aktiven Antirassisten bekannte. Auch die Operation „Amberlight“ wurde hierbei erwähnt. Der Richter für diesen Prozess, Herr Behl, merkte dazu an, die Feststellung illegalen Aufenthalts sei Teil des polizeilichen Aufgabengebiets, und verglich die Fahndung nach illegalisierten Flüchtlingen mit der Fahndung nach Schwerkriminellen wie Einbrecherbanden. Ein durch und durch geschmackloser Vergleich, wie viele im Zuschauerraum fanden. Der recht autoritäre Richter profilierte sich anfangs noch in der Rolle des Unparteiischen und erklärte, man würde ja im Lauf der Verhandlung erkennen können, wie das im April am Bahnhof gewesen sei. Jedoch hatte es schon von Anfang an den Anschein, dass er den zwei Zeugen der Bundespolizei mehr glaubte als dem Angeklagten. Diese bestritten natürlich eine Polizeikontrolle nach „Racial Profiling“-Muster, genauso wie sie bestritten, überhaupt je etwas von der Operation „Amberlight“ gehört zu haben. Für Angehörige der Bundespolizei, die für Kontrollen an den Orten eben dieser Operation, nämlich u.a. Bahnhöfen, zuständig sind, erscheint dies als eine dreiste Lüge. Herr Richter Behl zweifelte natürlich nicht an dem Wahrheitsgehalt der zwei Staatsdiener und fand auch die Feststellung des Rechtsanwaltes irrelevant, dass die zwei Polizist*innen gegenseitig ihre schriftlichen Aussagen aufgenommen hatten. Auch die Sprachbarrieren und den psychisch labilen Zustand der kontrollierten Somalier*innen bestritten sie. Die Frau habe nicht geweint, wäre aber eventuell „aufgebracht“ gewesen, so die eine Zeugin; die Frau wäre ganz „ruhig“ gewesen, so der andere Zeuge. Recht widersprüchliche Schilderung dieses Details, was aber kein weiteres Interesse beim Richter weckte. Auch uninteressant fand er es, als durch intensives Nachfragen der Verteidigung herauskam, dass noch ein Polizeipraktikant vor Ort Zeuge war, der in keiner Aussage und Akte erwähnt wurde. Dass die Polizei diesen nicht als Zeugen in die Ermittlungen einschaltete, lässt genauso Interpretationsspielraum zu wie die Frage, warum die kontrollierten Somalier*innen nicht selbst als Zeug*innen eingebunden wurden.
Nach Befragungen der zwei Beamt*innen hielt der Richter kurz inne und machte dem Rechtsanwalt ein groteskes Angebot. Eigentlich ständen jetzt die Aussagen der Entlastungszeugen an, nämlich der Gruppe, die auch vor Ort war.
Er riet dem Rechtsanwalt, sich auf einen „Härteausgleich“ einzulassen. Ohne einen einzigen der fünf Entlastungszeugen gehört zu haben, sagte er, ein Freispruch läge ja wohl „nicht in der Luft“, und bei einer Aussage der Entlastungszeugen wären weitere Instanzen und Folgeprozesse, auch wegen eventueller Falschaussage, wohl unvermeidlich. Mit „dreißigjähriger Erfahrung“ wisse er bereits jetzt, wo der „Prozess hinführen werde“, da er ganz offensichtlich den Polizeibeamt*innen mehr Glauben schenkte. Wohl hoffte er durch die Androhung von Folgeverfahren auf einen vom Rechtsanwalt gebilligten Abbruch.

Der Rechtsanwalt weigerte sich, auf dieses Angebot einzugehen und verwies auf ein Urteil des OLG Frankfurt, nach dem es zulässig sei, eine Polizeimaßnahme mit beleidigendem Vokabular zu beschreiben, solange die Polizeibeamt*innen nicht persönlich beleidigt würden. Genau das sei hier der Fall, weshalb der Ausgang des Prozesses nicht bereits vor den Aussagen der Entlastungszeugen vorwegzunehmen sei. Herr Behl lehnte diesen Vergleich mit dem Verweis darauf ab, dass hier „bayerisches Recht“ gelte, und daher Entscheidungen des OLG Frankfurt „hier am Amtsgericht Würzburg“ nicht relevant seien. Aufgrund des bundesweit einheitlich gültigen Strafgesetzbuches stellt dies eine äußerst gewagte Aussage dar. Allgemein verschärfte sich Herr Behls autoritärer und schroffer Ton, als er merkte, dass er den Anwalt nicht überzeugen konnte und der Angeklagte nun Entlastungsaussagen erhalten würde. Dass ihm das Frankfurter Urteil nicht interessiere unterstrich er mit der absurden Behauptung: „Das Amtsgericht bin ich!“

Es kam zu der Zeugenbefragung des ersten von fünf Entlastungszeugen. Die Befragung verlief erheblich aggressiver als die der Polizist*innen zuvor. So wurde der Zeuge mehrfach vom Richter aufgefordert, doch Teile des Gesprächs zwischen dem Angeklagten und dem vermeintlich beleidigten Polizisten nach mehreren Monaten wörtlich wiederzugeben. Sonst sei die Aussage nicht zu verwerten. Der Zeuge bestätigte, er sei sich absolut sicher, der Angeklagte habe den Polizisten nicht mit „Rassist“ oder „Du Rassist“ betitelt. Der Angeklagte sei im Gegenteil angesichts der Situation besonnen vorgegangen und habe seine Worte überlegt gewählt. Den erneuten Hinweis auf die Polizeiaktion Amberlight 2015 wurde von Herrn Behl mit der Begründung abgewiesen, der Zeuge habe von dieser durch die Presse erfahren, die auch über ihn (d.h. Herrn Behl) bereits viel Falsches geschrieben habe. Als Anmerkung sei hier zu nennen, dass gegen Herrn Behl 2014 ein dienstaufsichtsrechtliches Verfahren wegen des Verdachts auf Vetternwirtschaft eingeleitet wurde. Durch diesen persönlichen, anscheinend negativen Bezug zur Presse hielt er bereits die Existenz dieser Polizeiaktion für nicht gesichert, geschweige denn deren Inhalt. („Glauben sie nicht alles was in der Presse steht.“)
Die Bemühungen des Zeugen, sich zur Sache zu äußern, wurden dann wieder durch Herrn Behl unterbrochen, der unvermittelt und lautstark bekannt gab, er sei der Überzeugung, dass die schriftliche Aussage des Zeugen nicht von diesem, sondern vom Angeklagten verfasst worden sei (O-Ton Behl: „Ich sag nämlich der Angeklagte hat das geschrieben!“). Schließlich sei sie „auf demselben Papier“, gemeint ist gelbes Papier, und auch auf „derselben Schreibmaschine“, gemeint ist wahrscheinlich die ähnliche Schriftart, geschrieben worden. Als sowohl der Zeuge als auch der Angeklagte diesen wiederholten Versuch der Einschüchterung energisch zurückwiesen, und der Zeuge fragte, ob seine Aussage überhaupt ernst genommen werde, drohte Herr Behl beiden Ordnungsgelder an. („Wenn Sie sich weiter so ungebührlich verhalten, dann kriegen Sie ein Ordnungsgeld, dass es raucht.“) Er bezeichnete dabei den Zeugen fälschlicherweise mehrfach als „Angeklagten“, was wohl Ausdruck eines sehr speziellen Gedankenganges war.
Im Zuge der Unterstellungen und des äußerst strengen Auftretens des Richters verfiel der Gerichtssaal -neben Zeuge und Angeklagten auch das Publikum- in Unruhe und es kam zu entrüstenden Äußerungen, nach denen Herr Behl alle aus dem Saal verwies, bei denen er glaubte, dass sie solidarisch mit dem Angeklagten seien. Da fast alle Anwesenden dem nicht nachkamen, wurden Justizbeamt*innen zur Räumung herbeigezogen, wodurch sich das Publikum doch noch für einen freiwilligen Abzug entschloss. Die freundliche Frage eines Protokollanten, warum auch er gehen müsse, da er nicht zur Unruhe beigetragen habe, beantwortete Herr Behl: „Weil ich das sage!“
Bis auf drei Anwesende, die nicht zum jugendlichen Publikum gehörten, wurde der komplette Sitzungssaal geleert. Da Richter und Staatsanwalt wohl doch sehr überrascht vom Verlauf der Sitzung waren, rief Herr Behl kurz darauf alle restlichen Entlastungszeugen gleichzeitig in den Saal und verkündete, dass der Prozess auf weiteres aufgeschoben sei.

Was sich am 9.12. im Amtsgericht Würzburg abspielte, empfinden wir als so ungerecht und inakzeptabel, dass wir diesen Fall öffentlich machen wollen. Wir möchten auch hiermit eine Gegendarstellung zur bisherigen Berichterstattung liefern. Es scheint offensichtlich zu sein, wie voreingenommen der Richter von Beginn an war. Der Aussage von zwei Polizist*innen wird vor dem Würzburger Gericht mehr Qualität zugeschrieben als der Aussage von fünf Entlastungszeugen. Dass Aussage gegen Aussage „im Zweifel für den Angeklagten“ zu Freispruch führen kann, beziehungsweise sollte, interessiert einen bayerischen Richter nicht, auch nicht bei einer „kleinen Sache“ wie vermeintlicher Beleidigung. Höhepunkt der Dreistigkeit bildet wohl die Unterstellung, der Angeklagte habe für den oder die Zeugen die Aussagen geschrieben, da es hierfür keinen ernsthaften Anhaltspunkt gibt. Auch sind wir der Meinung, dass der strikt autoritäre Ton des Richters Behl eine Unzumutbarkeit darstellt und kritische Stimmen, vor allem wenn sie politisch motiviert sind, mundtot machen will. In diesem Sinne kann man den Fall wohl als gutes Beispiel eines „politischen Prozesses“ sehen, bei dem Zivilcourage als „Störung“ ausgelegt und die Feststellung, es handele sich um eine rassistische Kontrolle, als „Beleidigung“ umgedeutet wird.