Was vom „Refugees Welcome“ der Regierung übrig bleibt…

Dunkles Deutschland, helles Deutschland?

Zu Zeiten einer Debatte über den Grad des Rassismus in Ost- und Westdeutschland; zu Zeiten, in denen angebliche Expert*innen dem Osten ein größeres Rassismusproblem mithilfe allerlei statistischer Analysen zuzuschreiben versuchen; zu Zeiten einer wieder erstarkenden Pegida-Bewegung und AfD und einer sich häufenden Anzahl an Brandanschlägen auf Unterkünfte für Geflüchtete wie zuletzt in Wertheim, wird von herrschender Seite aus diese brandgefährliche Lage (in)direkt weiter provoziert.

Hat doch in den letzten Wochen das Thema um die „enorme Flüchtlingswelle“ die Medienlandschaft dominiert, präsentiert sich Deutschland als ein „Land der Willkommenskultur“ und feiert einen neuen ekelhaften Nationalstolz mit einem „Wir-Gefühl der Hilfsbereitschaft“.

Wie offensichtlich jedoch rassistische Hetze und Ressentiments der sogenannten „besorgten Bürger*innen“ in letzter Zeit befeuert wurden, zeigen Aussagen Thomas de Maizières, der Besuch Viktor Orbáns im Kloster Banz und die anstehende Asylrechtsverschärfung.

Am 1. Oktober gab de Maizière aufgrund einiger Aussagen dem rassistischen Mob ihre lang ersehnte Bestätigung – zur Freude aller selbsterklärten Abendlandretter*innen. So heißt es wörtlich:

„Bis zum Sommer waren die Flüchtlinge dankbar, bei uns zu sein. Jetzt gibt es schon viele Flüchtlinge, die glauben, sie können sich selbst irgendwohin zuweisen. Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen.“

Welche Tragweite eine solche Stammtisch-Rhetorik bewirken kann, zeigte sich bereits vor gut 22 Jahren bei der Einschränkung des Grundrechts auf Asyl.

Die aktuelle Asylrechtsverschärfung

1993 verabschiedeten Union und FDP ein Gesetz, welches das Grundrecht auf Asyl de facto abschaffte. Dieses Gesetz war die Reaktion auf eine steigende Zahl an Asylsuchenden, aber vor allem der Versuch, denen entgegenzukommen, die zu Beginn der 1990er zahllose rassistische Brandanschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten verübten. Die Politik war eingeknickt vor Nazis und Rassist*innen, vor einem Klima des Hasses und der Angst. Der Asylkompromiss von 1993 gehört wohl zu den dunkelsten Stunden der parlamentarischen Politik.

22 Jahre nach diesem Debakel sieht es so aus, als würde sich die Geschichte wiederholen. Die Zahl der Asylsuchenden ist gestiegen, wieder brennen Unterkünfte, wieder marschiert der rassistische Mob, sei es unter dem Namen PEGIDA oder „Asylmissbrauch – Nein danke!“-Initiativen von Neonazis. Erforderlich wäre jetzt eine Politik, die sich schützend vor die Menschen stellt, die in Europa, die in Deutschland Schutz suchen. Stattdessen streitet der Bundestag über eine Neuregelung des Asylrechts.

Das neue Gesetzespaket, treffend als „Asylrechtsverschärfung“ bezeichnet, beinhaltet Regelungen zu schnelleren Asylverfahren, die Einstufung der Länder Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsländer und höhere Finanzhilfen des Bundes an die Länder. Die ersten sechs Monate sollen Asylsuchende in den Erstaufnahmeeinrichtungen wieder Sachleistungen statt eines Taschengeldes erhalten. Dies bedeutet einen erheblichen Rückschritt, da alle Bundesländer – bis auf das reaktionäre Bayern – bereits seit Jahren auf die entmündigende Praxis von Sachleistungen oder Ausgabe von Gutscheinen verzichten. Auch die Inhaftierung von Geflüchteten soll nach dem neuen Gesetz leichter gehen. Haft droht allen, die mithilfe von Schleusern nach Deutschland gelangen, Grenzkontrollen mutwillig umgehen, keinen Pass haben oder falsche Angaben gegenüber Behörden machen. Da es nach wie vor keine legalen Einreisemöglichkeiten in die BRD gibt, trifft das auf nahezu jede*n Geflüchtete*n zu.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer scheint auf den ersten Blick die Öffnung der Integrations- und Sprachkurse zu sein. Geflüchteten mit „hoher Bleibeperspektive“ soll es möglich gemacht werden, schon vor einer endgültigen Entscheidung des Asylantrags Sprach- und Integrationskurse zu besuchen. Auf den zweiten Blick offenbart diese Trennung in „nützliche“ und „unnütze“ Geflüchtete jedoch einen zutiefst menschenverachtende Perspektive und sorgt für die Entstehung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der Geflüchteten.

Egal ob auf europäischer Ebene oder bei der Innenpolitik, die BRD setzt nach wie vor auf Abschreckung und Abschottung, anstatt auf eine echte Verbesserung der Situation Geflüchteter. So schnell, wie dieser Gesetzesentwurf durchgebracht werden soll, so kurzfristig und wenig nachhaltig gedacht ist er auch. Dennoch scheint eine Zustimmung dazu im Bundesrat so gut wie sicher. Mitte Oktober soll darüber abgestimmt werden und bereits am 01. November soll es in Kraft treten.

Innenminister Thomas de Maizière rechtfertigt, die Härte gegenüber Asylsuchenden sei notwendig, um „die Zustimmung zur Zuwanderung und der Aufnahme von Schutzbedürftigen in Deutschland zu sichern“. Dieses Argument ist ebenso verlogen, wie populistisch und gefährlich. Verlogen deshalb, weil es suggeriert, Fliehende könnten legal nach Deutschland einreisen. Nach den Dublin-Bestimmungen müssen Asylsuchende ihren Asylantrag jedoch in dem Land der EU stellen, das sie zuerst betreten. Dies sind die Länder der europäischen Außengrenzen wie Griechenland, Bulgarien oder Italien. Die Asylrechtsverschärfung im deutschen Recht führt damit auch zu einer Radikalisierung des Dublin-Systems, unter dem eben jene Länder jetzt schon leiden.

Populistisch ist es, weil es suggeriert, die Abschottung Deutschlands sei von einer Mehrheit getragen, als wäre Migration nach Deutschland von den Bürger*innen nur toleriert, wenn Asylsuchende massenhaft in Lagern interniert, in Abschiebeknästen inhaftiert oder auf einem Niveau versorgt werden, dass grade einmal die physische Existenz sichert.

Gefährlich ist das Argument, weil es Menschen kriminalisiert, die auf der Suche nach Schutz ihr Zuhause, ihre Familie, ihre Freunde verlassen haben. Es gibt jenen Recht, die Geflüchtete als Eindringlinge und Schmarotzer*innen wahrnehmen. So werden rassistische Ressentiments nicht etwas abgebaut, sondern bestätigt und angeheizt. Es ist ein Gesetz, das jenen Recht zu geben scheint, die Brandanschläge auf Geflüchtetenunterkünfte verüben.

Mit diesem Gesetz treiben Union und SPD die Entrechtung, Kriminalisierung, Ausgrenzung und Stigmatisierung von Schutzsuchenden noch weiter voran.

Bayrische Zustände und Stammtischparolen

Auch die CSU tobt sich gerade mal wieder richtig aus. Erst lädt man sich den ungarischen Ministerpräsident Viktor Orban ein, um sich vom Experten mal erklären zu lassen, wie man Geflüchtete aus dem eigenen Land aussperren kann, dann kommen schon die Vorschläge doch einen Zaun an der deutschen Grenze aufzubauen. Grenzkontrollen gibt es ja schon. Jetzt lässt Markus Söder, vergangenen Freitag Gast in Würzburg, auch noch verlauten: „Wir können nicht die ganze Welt retten.“

Das stimmt, ihr sicher nicht! Was ihr aber könnt, ist mit unfassbaren Waffenexporten und der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Globalisierung dafür zu sorgen, dass Menschen überhaupt erst fliehen müssen.

Söder schürt weiterhin Ressentiments: Integration könne ja gar nicht gelingen, da es einfach zu große interkulturelle Unterschiede in der Erziehung gäbe.

Interkulturelle Differenzen? Was meint der Mann damit? Weshalb sei eine Integration denn dann nicht möglich? Die Hand liegt auf der Hand: Die „Anderen“ sind einfach nicht wie „die Deutschen“. Heute geht man vielleicht nicht mehr (primär) auf die Hautfarbe ein – heute müssen interkulturelle Unterschiede dazu herhalten, Ausgrenzung und Überlegenheit der Einheimischen zu rechtfertigen. Dafür gibt es auch einen relativ bekannten Begriff: Rassismus.

Slogans und dumpf-bayrisches Stammtischgelaber wie dieses, sind ja keine neue Entdeckung, es ist ja fast schon das Markenzeichen der Union. Es gießt Öl in die (geistigen) Feuer, die andere rechte Demagogen, PEGIDA oder Neonazis legen und zeigt vor allem eins: Die Gefährlichkeit und nach rechts offene Haltung der ach so harmlosen „bürgerlichen Mitte“…