Am Samstag den 05.12. findet um 14 Uhr in Aschaffenburg eine antirassistische Demonstration statt.
Die Demo wird organisiert vom neu entstandenen „Antirassistischen Netzwerk Untermain“ und steht unter dem Motto:
Kein Mensch flieht freiwillig – Fluchtursachen bekämpfen, nicht Flüchtende! -> homepage
Hier der Aufruf:
In den letzten Monaten wurden wir Zeugen einer globalen Migrationsbewegung, die an den Zäunen und Toren der Festung Europa rüttelt. Weltweit befinden sich knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Nach wie vor sterben unzählige Menschen bei dem Versuch, Kriegen, Armut und Hunger zu entkommen. Auch der Teil der Flüchtlinge, der sich Schutz und Sicherheit in der EU erhofft und sich an der Einreise nach Europa versucht, sieht sich mit zahlreichen Gefahren konfrontiert. Geschätzte 23.000 Menschen sind bereits beim Versuch nach Europa zu gelangen im Mittelmeer ertrunken. Dabei wird es nicht bleiben, denn es ist klar: Die weitere Abschottung wird niemanden von der Flucht abhalten, aber zu mehr Elend, Angst und Tod führen.
Die Gründe für Fluchtursachen sind vielfältig und komplex. Die Aufrufe deutscher und europäischer Politiker, die Ursachen von Flucht zu bekämpfen, verschweigen aber einen entscheidenden Aspekt: Ein Großteil der Fluchtursachen wurde nicht durch die Länder des globalen Südens hervorgerufen, sondern durch wirtschaftliche und neokoloniale Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse und die ökologische Plünderung durch reiche Industrienationen. Diese führen in vielen Teilen der Erde zur Vernichtung lokaler Existenzgrundlagen und sorgen für soziale Spannungen und Verwerfungen, in deren Folge ein (Über-)leben unmöglich wird. Sie sind für das Leid von Millionen Menschen mitverantwortlich und zwingen sie zur Flucht.
NATO-Einsätze wie im Irak oder Afghanistan wurden als Kampf gegen den Terror propagiert und vorgeblich zum Schutz der dortigen Zivilbevölkerung geführt. Auch diese trugen zur Herausbildung von sogenannten Failed States bei, in denen sich Despoten, religiöse Fundamentalisten, jihadistische Milizen und Warlords ausbreiten und festsetzen konnten. Gleichzeitig verdienen Rüstungsunternehmen Milliarden mit Waffenexporten in die ganze Welt. Deutschland tummelt sich in Sachen Rüstungsexporte weltweit noch immer unter den Top 5.
In zahlreichen Fällen unterstützen nach wie vor westliche Staaten repressive Regimes. Diese dienen als Handlanger zur Umsetzung ihrer Interessen. In Libyen, Syrien und anderen Ländern wurden Diktatoren hofiert, unter denen tagtäglich Verfolgung und Unterdrückung praktiziert werden.
Aktuell erleben wir, wie eine neuerliche Zusammenarbeit zwischen EU und der türkischen Regierung unter Staatspräsident Erdoğan entsteht. Der Türkei wird heute eine geopolitische Schlüsselrolle in der Flüchtlingsfrage zugesprochen. Das Land, in dem jüngst blutige Terroranschläge auf Linke und Gewerkschafter stattfanden, das jegliche Demokratie missen lässt, und das mit Waffengewalt gegen Oppositionelle vorgeht, wird mit Milliarden ausgestattet, um Auffanglager für Flüchtende zu errichten und sie von einer Weiterreise in die EU abzuhalten.
Doch diese Scheinheiligkeit ist in Deutschland nichts Neues. Während die politischen Eliten im Sommer 2015 vordergründig das ehrenamtliche Engagement der Zivilgesellschaft und deren Willkommenskultur lobten, bastelten die Technokraten des deutschen und europäischen Migrationsregimes schon an neuen Maßnahmen, um die „aufgezwungene“ Zuwanderung nach ökonomischen Gesichtspunkten auszurichten. Aus kapitalistischer Sicht „nicht verwertbare Menschen“ sollen abgeschreckt und möglichst schnell wieder abgeschoben werden, sofern nicht schon ihre Einreise verhindert werden konnte. Gut ausgebildete Flüchtlinge werden hingegen als dringend notwendiger Wirtschaftsfaktor betrachtet, mit dem man dem „demografischen Wandel“ und vermeintlichen Fachkräftemangel entgegenwirken will.
Es sind unter anderem solche Debatten, die gesellschaftlichem Rassismus offen legen, befördern und der Frage ausweichen, wieso sich überhaupt Menschen zur Flucht gezwungen sehen.
In Bayern übertrifft sich die CSU regelmäßig selbst in ihrer rechtspopulistischen Rhetorik, heizt die Stimmung weiter an und bedient damit gezielt den Stammtisch.
Insgesamt ist ein starker Anstieg rassistischer Aktivitäten zu verzeichnen. Zu mehr als 500 Angriffen und Anschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte kam es allein im Jahr 2015. Neue rechte Bewegungen wie Pegida und ihre zahlreichen Ableger erhalten wieder Zulauf.
Auch rechte Parteien wie die AfD profitieren laut Wahlumfragen zunehmend vom rassistischen Klima. Und Neonazis von NPD, dritter Weg oder die Rechte versuchen auf den Zug aufzuspringen und steuern oder unterwandern gezielt rassistische Bürgerinitiativen. Selbst rechte Fußball-Hooligans, die seit den 90er Jahren meist nur noch sehr vereinzelt gewaltsam auffielen, machen wieder von sich reden, und beteiligen sich ungestört an Demonstrationen von gerne als sogenannte besorgte BürgerInnen und Asylkritiker verharmlosten Rassisten.
In diesem Gemenge schwadronieren führende Politiker von einer Belastungsgrenze der Aufnahmekapazitäten, die erreicht wäre, und reden einen Ausnahmezustand herbei der so nicht existieren würde, wäre er nicht politisch gewollt. Überfüllte Sammellager und die Unterbringung in Zelten trotz winterlicher Temperaturen sind ein Hohn für eines der reichsten Länder der Erde und nur eine von vielen Maßnahmen, um einen Aufenthalt in Deutschland so unerträglich wie möglich zu gestalten. Die letzten Verschärfungen des Asylrechts geben diesen Zuständen noch den juristischen Rahmen und verleihen ihnen Recht und Ordnung. Die Gesetzgeber scheuen kaum Mittel, um eine restriktive Einwanderungspolitik in ihrem Interesse durchzusetzen und treten dabei Menschenrechte mit Füßen.
All das nehmen wir zum Anlass, um unsere Solidarität mit Geflüchteten auf die Straße zu tragen und jeder Form von Rassismus eine Absage zu erteilen. In Zeiten, in denen sich das Kategorisieren von Menschen – ob in „legal oder illegal“, in „Staatsbürger oder Ausländer“, aber auch in „echte oder Wirtschaftsflüchtlinge“ – höchster Beliebtheit erfreut, und in denen die gesellschaftliche Stimmung nach rechts kippt, wird es höchste Zeit dieser Entwicklung politisch zu begegnen.
Wir sagen: egal ob Kriegs- oder „Wirtschaftsflüchtling”, kein Mensch flieht freiwillig und jeder Fluchtgrund ist legitim!
Wir wollen mit unserer Demonstration die Benennung von Fluchtursachen in den Mittelpunkt rücken, und für einen grundsätzlichen Wandel des gesellschaftlichen Zusammenlebens werben.
Wir wollen ein gutes Leben für alle und nicht nur für eine kleine privilegierte Minderheit.
Um dies zu erreichen, muss es unser langfristiges Zeil sein, die derzeitige Weltwirtschaftsordnung, die auf Konkurrenz und Ausbeutung basiert, durch ein System des solidarischen Miteinanders zu ersetzen.
Und wenn sich heute Menschen auf den Weg machen, weil sie sich einfach ein besseres Leben, eine Existenz ohne massivste Ausbeutung und Unterdrückung, ein Leben ohne Angst und Krieg wünschen, dann haben sie unsere Unterstützung. Deshalb gehen wir auf die Straße und fordern unter anderem:
Legale Fluchtwege und Einreisemöglichkeiten nach Europa, um das sinnlose Sterben zu beenden
Keine Zusammenarbeit mit despotischen Regimen, und statt dessen die Stärkung zivilgesellschaftlicher und säkularer Initiativen
Menschenwürdige, dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen und die Abschaffung von Lagern und Residenzpflicht
Weg mit dem Arbeitsverbot für Hilfesuchende und keine Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn
Keine weitere Aushöhlung und Verschärfung des Asylrechts
Gleiche Rechte für Alle: Nein zu jeglicher Diskriminierung
Refugees welcome!