Bericht zum Informationsabend: „Oury Jalloh – Von Polizisten ermordet, vom Staat vertuscht?“

Am Mittwoch, dem 24.01.2018, veranstaltete der Asyl-Arbeitskreis der KHG in Kooperation mit der Initiative im Gedenken an Oury Jalloh einen Informationsabend mit dem Titel: „Oury Jalloh – Von Polizisten ermordet, vom Staat vertuscht?“ bei dem etwa 150 Menschen teilnahmen.
Der Vortrag, welcher von zwei unmittelbar involvierten Personen gehalten wurde, erlaubte tiefe Einblicke in die verstörende Praxis von Teilen der Exekutive, die Abgründe der systematischen Vertuschung seitens des Staates und dem zugrundeliegenden strukturellen Rassismus, der auch durch das Verhalten der bürgerlichen Öffentlichkeit in Dessau und darüber hinaus ermöglicht wird.
Der Vortrag begann mit einer Wiedergabe ihrer persönlichen Erfahrungen im Vorfeld der Nacht des 7. Januar 2005 und den Tagen danach. Der Geflüchtete Oury Jalloh ist an jenem Abend noch in einer Lokalität, welche zu dieser Zeit noch von einem der Vortragenden unterhalten wurde, anwesend gewesen. Am nächsten Tag verbreite sich die Nachricht von seinem Tod. Zugang zum Polizeirevier in dem er nach seiner Verhaftung eingesperrt wurde und Auskünfte wurden allesamt verweigert. Bereits zu diesem Zeitpunkt war den Beteiligten klar, dass sie hier mit einem ungeheuren Ereignis konfrontiert sein müssen. Und tatsächlich konnte durch einen unglaublichen Kraftaufwand in Kooperation mit anderen engagierten Initiativen nachgewiesen werden, dass PolizistInnen Oury Jalloh nach seiner Festnahme fesselten und misshandelten. Anschließend wurde er verbrannt, um die Spuren zu verwischen. Im Angesicht dieser verstörenden Tatsache und der logischen Konsequenzen für die Wahrnehmung der Bullen und der angeblich so anthropozentrischen Werte Deutschlands innerhalb der Bevölkerung wurden schließlich zahlreiche Anstrengungen unternommen, den Sachverhalt zu verdrehen, Beweismittel zu manipulieren und die Geschehnisse insgesamt zu vertuschen. Laut den Vortragenden geschah dies zum einen durch den Versuch die These zu etablieren und zu stützen, Oury Jalloh hätte sich mit einem Feuerzeug, das man bei der Durchsuchung übersehen hätte, selber angezündet, während er gefesselt auf einer feuerfesten Matratze lag. Hierbei berief man sich auf verschiedene Experimente und ExpertInnenaussagen, denen in Folge der Recherchen und der Auseinandersetzung mit der Thematik in eigenen Experimenten massive Verfälschung nachgewiesen werden konnte. Sehr eindrucksvoll waren hier vor allem das Vorführen der angeblichen Beweise der Behörden und die Gegenüberstellung der eigenen Erkenntnisse beispielsweise in Form von Videos über die Experimente, die verdeutlichten, dass immense Mengen an Brandbeschleuniger eingesetzt wurden. So ließ sich schließlich auch nachweisen, dass das angeblich übersehene Feuerzeug erst nachträglich zu den Akten hinzugefügt wurde oder komplette Akten auch einfach gänzlich vernichtet wurden. Besonders stark im Gedächtnis verankert haben sich außerdem nachgewiesene Aussagen der Polizisten, wie: „Neger brennen länger“ oder „Wir haben hier eine moderne effiziente Tötungsanlage“. Des Weiteren ließ sich die offizielle Linie spätestens mit der Erkenntnis widerlegen, dass bei der Obduktion keinerlei Anzeichen für einen durch Verbrennung verursachten Tod gefunden werden konnten. Oury Jalloh ist daher aller Wahrscheinlichkeit nach bereits seinen Verletzungen durch die Misshandlungen erlegen. Vor allem das Ausmaß dieses Vertuschungsversuchs, der sich von den unmittelbar Verantwortlichen in Dessau über hohe Stellen in den jeweiligen Behörden in die Landesregierung Sachsens-Anhalts und schließlich bis in die zuständigen Ministerien des Bundes zieht, ist schlichtweg erschreckend und zeigt deutlich, dass hier eine strukturelle Problematik vorliegt.
Der Vortrag betrachtete zum anderen auch die zweite zentrale Taktik, welcher sich die BRD allgemein sehr gerne bedient und deren Einflussmöglichkeiten aktuell unaufhörlich ausgeweitet werden, der Repression. Hier war es besonders erschütternd zu erfahren, dass zahlreiche MitstreiterInnen der Initiative, welche zum Großteil Geflüchtete waren, auf Grund ihres politischen Einsatzes abgeschoben wurden. Wo dies nicht möglich war griff man zu anderen Mitteln. Einer der Vortragenden berichtete wie die Behörden ihm schließlich die bereits genannte Lokalität dicht machten. Dass man sich bei der Begründung auf angebliche, charakteristische Schwächen aufgrund der juristischen Verurteilung in Folge der Auseinandersetzungen mit Nazis bezog, welche obendrein eine weitere fast alltägliche Belastung für die Betroffenen darstellen, verdeutlicht die Vielfältigkeit des zur Verfügung stehenden Instrumentariums. Von zahlreichen Anzeigen, Gerichtsverfahren, Einschüchterungen bis hin zu Morddrohungen ganz zu schweigen. Eine besondere Rolle nimmt hier nach wie vor die bürgerliche Öffentlichkeit ein, welche das Geschehen damals wie heute zum Großteil stillschweigend zur Kenntnis nimmt, schlichtweg gänzlich ignoriert oder auch offen bejaht. Laut den Vortragenden ist und war der Vorfall nie ein Geheimnis, sondern jedem in Dessau lebenden Menschen bestens bekannt. Deshalb ist es insgesamt trauriger Weise auch nur noch wenig verwunderlich, dass in dem betroffenen Polizeirevier bereits vor Oury Jalloh zwei Menschen zu Tode gekommen sind und die entsprechenden Geschehnisse nie wirklich hinterfragt geschweige denn aufgeklärt wurden.
Schlussendlich lässt sich sagen, dass die Masse an Eindrücken, welche dieser Vortrag vermittelte, die anwesenden Menschen hauptsächlich mit zwei Empfindungen zurück ließ. Das waren auf der einen Seite ein überwältigender Respekt gegenüber den Personen, die sich von Anfang an nicht einfach mit diesem Verbrechen abgefunden und trotz der fast unvorstellbaren Einschnitte in ihrem Privatleben und zahlreicher Rückschläge immer wieder dafür gesorgt haben, dass die Ereignisse des 7. Januar 2005 unvergessen bleiben. Der Staat konnte sich trotz der umfangreichen Geschütze, die er immer noch auffährt, nicht durchsetzen!
Auf der anderen Seite allerdings war da nur noch Trauer und ein Gefühl der Leere, die schließlich in Wut mündeten. Weshalb sich Menschen entschlossen eine spontane, unangemeldete Demonstration im Anschluss an die Veranstaltung abzuhalten, bei der sich etwa 80 Personen lautstark beteiligten. Die Route verlief durch die gesamte Innenstadt. Erstaunlich ist hierbei zu vermerken, dass sich trotz der bekannten, ständigen Präsenz der Bullen in Würzburg keine einzige Streife hat blicken lassen und der Demonstrationszug so etwa 1 ½ Stunden lang andauerte bis man sich nach einem Foto für die Initiative an der Residenz auflöste.
Abschließend lässt sich also festhalten, dass und vor allem auch wie Staat und Rassisten weiter Hand in Hand gehen und sich die Rollen schlichtweg auch einfach überschneiden. Dessau sollte außerdem nicht als ein unglücklicher Einzelfall wahrgenommen sondern als Spitze des Eisbergs beispielsweise auch neben den Geschehnissen rund um den NSU verstanden werden, der aufzeigt wie stark menschenverachtendes und braunes Gedankengut innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft und somit auch schließlich in den staatlichen Institutionen nach wie vor vorhanden ist und welche Auswirkungen zu erwarten sind, wenn dagegen nicht entschlossen vorgegangen wird.
Der antifaschistische Kampf und das Gedenken müssen also weitergehen.

Kein Vergeben, Kein Vergessen!
Oury Jalloh, das war Mord!