Von den katholischen Bischöfen und ihren Lügen

Ein offener Brief an Bischof Franz Jung

Si caeci essetis, non haberetis peccatum. Nunc vero dicitis quia videmus, peccatum vestrum manet.
– Johannes 9,41

 

Hochwürdigster Herr Bischof,

wird uns die Wahrheit frei machen? Welch eine rhetorische Frage. Manche Dinge scheinen derart offensichtlich. Doch, frei von was oder frei von wem wird sie uns machen? Und vor allem: Was ist die Wahrheit?

Eine Reihe von hochrangigen katholischen Geistlichen hat unter der Federführung von Erzbischof Carlo Maria Viganò am 7. Mai ihre ganz eigene Version der sie befreienden Wahrheit veröffentlicht. Ihre Wahrheit ist, in den Kernpunkten und originaler Reihenfolge zusammengefasst:

(1) Es gibt Kräfte, die durch die Covid-19-Pandemie in der Bevölkerung Panik erzeugen wollen.
(2) Diese Kräfte planen die Schaffung einer Weltregierung.
(3) Die Wirtschaft wurde heruntergefahren, um ein Einfallstor für fremde Mächte zu schaffen.
(4) Die Kontaktbeschränkungen dienen zur Förderung der Manipulierbarkeit der Bevölkerung.
(5) Impfstoffe werden aus abgetriebenen Föten gewonnen.
(6) Übernationale Organisationen wollen Kontrolle über die Menschen erlangen.
(7) Politische Entscheidungsträger sind nicht legitimiert.
(8) Die Medien üben Selbstzensur aus.
(9) Man täuscht die Menschheit über die wahren Mehrheitsverhältnisse.
(10) „Mächte der Finsternis“ (Matthäus 16,18) wollen die christliche Zivilisation auslöschen.

Zu diesen Geistlichen zählen mindestens vier Erzbischöfe und zwei Kardinäle, darunter Gerhard Ludwig Kardinal Müller, von 2002 bis 2012 Bischof im nahegelegenen Bistum Regensburg und als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre von 2012 bis 2017 zeitweilig ranghöchster deutschstämmiger Kirchenfunktionär.

Wir sind der Ansicht, alle zehn oben aufgeführten Aussagen entbehren entweder jeglicher rationaler Grundlage, sind nachweislich falsch oder im besten Fall irrelevant. Zu den irrationalen Aussagen zählen wir (1–4), (6) sowie (9–10); zu den nachweislich falschen (5) und zu den irrelevanten (7–8).

Die Inkorrektheit von Aussage (5) wollen wir hier nur insofern darlegen, dass zur Forschung an Impfstoffen zwar Material von menschlichen Föten verwendet wurde, ihre Herstellung selbst davon jedoch unabhängig ist und die weitere Bestätigung durch unabhängige Quellen Ihnen überlassen. Ob die Presse sich selbst zensiert, bezeichnen wir als fundamental irrelevantes Problem, da es den Signataren so wie allen Menschen freisteht, selbst journalistisch aktiv zu werden und diesem Umstand, sofern er wahr sein sollte, abzuhelfen. Und die Regierungen sind im Fall der Covid-19-Pandemie genauso legitimiert, wie sie es sonst auch sind, sodass die Frage nach der Legitimität keinen Unterschied im Speziellen bedeuten würde.

Dies sind nur insofern problematische Aussagen, als dass dadurch das Vertrauen in die Moderne untergraben wird und ein Konflikt um die Deutungshoheit zwischen den Unterzeichnern und dem Rest der Fachwelt entsteht, von dem wir hoffen, der Rest der Fachwelt werde ihn aufgrund besserer Argumente gewinnen. Für ungleich gefährlicher erachten wir die irrationalen Aussagen, die sich jeglicher Argumentation entziehen.

Obgleich wir nach unserer Weltanschauung davon ausgehen, dass Existenzbehauptungen die Beweispflicht des Behauptenden nach sich ziehen und wir aus diesem Grund unentscheidbare Aussagen ohne Begründung zurückweisen könnten, sind wir uns bewusst, dass die katholische Kirche auf dem Glauben von rational nicht Beweisbarem beruht. Offensichtlich ist durch den unabdingbaren Glauben an die Existenz eines guten Hirten und seines Wirkens in dieser Welt in Teilen der Kirche eine Tendenz zum Glauben an weitere unerklärliche Mächte vorhanden.

Wir wollen nicht versuchen, dem Christentum seine Mythen vom Kampf Jesu mit dem Teufel in der Wüste und ähnliche Geschichten zu widerlegen und es ist uns gleichgültig, ob fundamentalistische Gruppierungen innerhalb der Kirche diese Erzählungen für bare Münze nehmen und ernsthaft daran glauben, dass ein pferdefüßiger Satan über den Erdball galoppiert und die Menschen peinigt. Es wird jedoch inakzeptabel, wenn solche Gruppierungen den Rahmen der Theologie verlassen, ihre Ansichten auf die soziale Ordnung übertragen und damit bestimmte oder unbestimmte Menschengruppen mit dem Antichristen identifizieren.

Aus dem Johannesevangelium, welches uns darlegt, die Juden hätten den Teufel zum Vater, er sei ein Mörder und die Juden wollten es ihm gleichtun (Johannes 8,44), hat sich sicherlich ein größerer Teil des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen christlichen Antijudäismus gespeist. Es bedarf unserer Ansicht keine große Erwähnung, dass die in der Moderne aufgetauchten sogenannten Protokolle der ”Weisen von Zion“ die Abneigung aus der religiösen auf die weltliche Sphäre hoben und die Juden von Menschen mit vom Teufel fehlgeleiteten Glauben zu den Teufeln auf der Welt selbst deklarierten, welche Ideologie sich dieses Narrativ zueigen machte, folgerichtig die Vernichtung dieses Bösen propagierte und schlussendlich auch durchzuführen versuchte.

Uns erschreckt, dass im Jahr 2020 eine Reihe von Erzbischöfen und Kardinälen die Protokolle der Weisen von Zion quasi neu verlegt hat und dabei stets nur den Begriff der Juden geschwärzt hat.

Es ist vollkommen irrelevant, ob sich das Schreiben gegen eine bestimmte oder eine unbestimmte Bevölkerungsgruppe richtet, mit anderen Worten, ob diese ominösen Kräfte, fremde Mächte, übernationale Schattenorganisationen und Mächte der Finsternis einen Namen besitzen. Es ist vollkommen irrelevant, ob mit diesen Bezeichnungen alte Ressentiments bespielt werden sollen oder neue geschaffen.

Seite Am Ende ist relevant, dass mit solchen Schreiben eine Pogromstimmung des katholischen Wir gegen ein heidnisches Die erzeugt wird, wer auch immer das Die in der Zukunft sein wird.

Nun hat sich gegen das Pamphlet dieser Gruppe von hochrangigen Geistlichen bereits Widerstand geregt. Beispielhaft ist das Bemühen des Bistums Essen, seines Bischofs Franz-Josef Overbeck und seines Generalvikars Klaus Pfeffer. Als erbärmlich empfinden wir hingegen die halbherzige Reaktion der Deutschen Bischofskonferenz: Grundsätzlich kein Kommentar, aber abweichende Meinung.

Wir als antifaschistische Gruppierung fragen uns, wie viel die katholische Kirche in einem Land wie Deutschland aus der Geschichte gelernt hat, dass sie einem solchen Schreiben nicht mehr zu entgegnen weiß als dass sie eine abweichende Meinung habe. Wir wissen, die katholische Kirche ist gut im Haben einer abweichenden Meinung. Bestimmt hatte auch Eugenio Pacelli, späterer Pius XII., obschon keines Kommentares eine abweichende Meinung. Wir fordern das Bistum Würzburg auf, sich im Bewusstsein der Verantwortung des Bistums Würzburg gegenüber seinen 700.000 Gläubigen, im Bewusstsein der Verantwortung der katholischen Kirche mit ihren 1,3 Milliarden Mitgliedern für die gesamte Menschheit und im Bewusstsein der Verantwortung der deutschen Bischöfe gegenüber der Geschichte klar und deutlich gegen das Schreiben des Bischofs Viganò zu positionieren.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Antifa Würzburg