Vor 75 Jahren am 19. April 1943 erhoben sich Jüdinnen und Juden, die im Warschauer Ghetto gefangen waren, gegen die faschistischen Besatzer. Am 16. Mai meldeten die Nazis, den Aufstand niedergeschlagen zu haben und ließen die Synagoge sprengen. Nach der Besetzung Warschaus durch die Nazis zwangen sie bis zu 500.000 Jüdinnen und Juden in ein Ghetto, das nur 3 km² umfasste. Dort verhungerten sie, wurden erschossen oder in die Vernichtungs- und Konzentrationslager deportiert.
Auch aus Würzburg wurden tausende Menschen zur Nazizeit in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Zuvor wurden sie nach und nach gesellschaftlich isoliert. Als die Deportationen in die Lager von der Würzburger Aumühle aus begannen, war der Widerstand gegen die Faschisten längst tot. Die Würzburger_innen schwiegen zu den Verbrechen der Nazis oder befürworteten diese sogar.
Bis 1933 war Hans Löffler Würzburger Oberbürgermeister. Er versuchte, das Rathaus bis 1933 frei von Antisemitismus zu halten. Als er 1933 von den Nazis abgesetzt wurde, flüchtete er an den Chiemsee. Auch die Würzburger Anwaltsfamilie Stern versuchte Widerstand zu leisten. In ihrer Anwaltskanzlei in der Kaiserstraße fanden Veranstaltungen des jüdischen Schutzbundes statt. Der Widerstand in Würzburg bekam nicht die nötige Unterstützung der Bevölkerung, die sich größtenteils mit den Faschisten arrangierte oder sympathisierte. In der Pogromnacht des 9. Novembers 1938 verhafteten die Nazis Bruno Stern (ehemals Stadtrat und Rechtsanwalt), sperrten ihn in ein Konzentrationslager und entließen ihn schwer krank. Daraufhin flüchtete Bruno Stern mit seiner Familie in die USA ohne jegliche Habe.
In der Kaiserstraße erinnert bald ein Denkmal an die Zeit, als knapp ein Viertel der Kaufleute, Ärzte und Rechtsanwälte jüdische Würzburger_innen waren. Zudem erinnern uns Stolpersteine, die kleinen 10cmx10cm Messingplatten, an die Menschen, die in der Zeit des Faschismus verschleppt, deportiert und ermordet wurden. Das Projekt ist nicht unkritisch zu betrachten. Täglich laufen die Menschen gedankenlos über die Stolpersteine. Viele wissen nicht einmal, was sie bedeuten. Die Schriften auf den Steinen sind teilweise nicht mehr lesbar.
Wir finden die Stolpersteine sind dennoch eine gute Möglichkeit, an die Opfer des Nationalsozialismus an ihrem Wohnort zu erinnern. Neben Jüdinnen und Juden wurden auch Sinti und Roma, Homosexuelle, Schwarze, Linke, Antifaschisten, sog. „Asoziale“ und Menschen mit Behinderung deportiert und ermordet. In Würzburg startete Werner Hayde die Aktion T4. Menschen mit Behinderung wurden als „Volksschädlinge“ isoliert, eingesperrt und schließlich umgebracht.
Heute erstarken überall rechte Parteien, völkische, antisemitische und rassistische Parolen finden überall ihren Widerhall. Ein Großteil der Deutschen möchte „mit dem Kapitel des Nationalsozialismus“ abschließen und eine Partei im Bundestag versucht mit ähnlichem Duktus wie die Faschisten von der Kleinstpartei „Dritter Weg“ einen deutschen Opfermythos zu etablieren. Rechte versuchen die Bombardierung deutscher Städte als eigentliches Kriegsverbrechen darzustellen. Die Opfer der deutschen Täter finden in diesem Narrativ keine Erwähnung.
Wir rufen deshalb auf: Beschäftigt euch mit der Geschichte! Lernt, fragt nach und haltet die Erinnerung an die faschistischen Verbrechen wach!
Wir treffen uns am 19. April um 16 Uhr am Barbarossaplatz mit Eimer, Putzlappen und Blumen, um die Stolpersteine in diesem Teil der Innenstadt zu putzen. Dabei wollen wir uns mit den Geschichten der Menschen hinter den Steinen beschäftigen und versuchen die Erinnerung an sie wach zu halten.
Schließt euch an!