Rund um den Dom und im ehemals jüdischen Viertel zwischen der damaligen Hauptsynagoge (Ecke Domerschulstraße/Kettengasse) und Hofstraße wurden die Stolpersteine mal wieder poliert. Symbolisch wählten wir den 16. März, den Tag der Bombardierung Würzburgs, um zu zeigen, was vorher geschehen ist. Dazu legten wir Blumen ab und verteilten einen Flyer mit folgendem Text:
Wie häufig bist Du schon über diese kleinen Messingplatten gestolpert, die in Würzburg im Boden verlegt sind? Vielleicht ist es kein richtiges Stolpern, eher ein Stolpern im Kopf, ein Stolpern im Herzen, wenn Dir auffällt, dass zu Deinen Füßen auf 10x10cm ein ganzes Leben und ein grausamer Tod eingraviert ist. Namen, die Du sonst nie kennen würdest. Geschichten, von denen Du nichts wissen würdest.
In Europa sind mittlerweile rund 61.000 dieser Stolpersteine verlegt worden, die an die Menschen erinnern sollen, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Darunter befanden sich neben Jüd*innen auch Sinti und Roma, People of Colour*, Homosexuelle, Menschen mit Behinderung und politisch Verfolgte.
Die Steine markieren Tatorte von Deportationen, die häufig inmitten dicht besiedelter Gebiete lagen. Damit wird die Behauptung einiger Zeitzeug*innen, sie hätten nichts von den Deportationen gewusst, als Lüge entlarvt. Auf manchen Steinen steht auch, dass die deportierten und ermordeten Menschen von ihren Nachbar*innen denunziert wurden.
Dennoch ist das Projekt nicht unkritisch zu betrachten. Menschen laufen täglich gedankenlos über die Steine, „treten sie mit Füßen“ und nehmen sich nicht die Zeit, kurz denen zu Gedenken, die Opfer des NS-Regimes wurden. Auch werden die Steine immer wieder zu Zielobjekten rechtsradikaler Schmierereien. Auf manchen Steinen finden sich die Vorwürfe, die den Deportierten gemacht wurden im Jargon der Nationalsozialist*innen, was von vielen Menschen vehement kritisiert wird.
Und trotzdem ist es eine Form, die Namen der Ermordeten des NS-Terrors zurück an die Orte ihres Lebens zu bringen. An Orte, wo auch heute noch Menschen leben, die vielleicht inne halten, sich bücken, lesen und einen achtsamen Moment denen schenken, die von den Nationalsozialist*innen ermordet wurden.
Wir putzen heute am 16. 03. die Steine, weil wir inne halten wollen, weil wir gedenken wollen. Der Holocaust und die systematische Ermordung von Millionen von Menschen, die nicht in die faschistische Ideologie passen, ist auf grausame Weise ein unvergleichliches Verbrechen. Grade in Zeiten, in denen rechte Parteien und Kräfte wieder erstarken, finden wir antifaschistische Arbeit und eine lebendige Erinnerungskultur umso wichtiger.
In der Schustergasse 2 lebten Ferdinand und Marianne Marx, 1940 flüchteten sie nach Holland, wurden in Westerbork interniert und 1942 nach Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurden.
Zur Biografie von Ferdinand Marx:
http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=353
Vorm Dom, in der Domstraße, liegen die Steine für Adolf und Natalie Hamburger, Valerie Heß und Bertha, Karola und Samuel Nußbaum.
Adolf Hamburger wurden am 27. November 1941 nach Riga deportiert und dort ermordet. Natalie wurde am 23.September 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 5. Juni 1943 ermordet.
Valerie (Valeria, Käthe Erna) Heß wurde am 17. Juni 1943 von Würzburg nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Berta und Karola Nußbaum wurden am 27. November 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert und dort oder in der Nähe ermordet.
Samuel Nußbaum wurde am 23. September 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 18. April 1944 ermordet.
Die Biografien:
Adolf Hamburger:
http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=278&filter=H
Natalie Hamburger: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=291&filter=H
Valerie (Valeria, Käthe Erna) Heß: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=448&filter=H
Karola Nußbaum: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=416&filter=N
Berta Nußbaum: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=415&filter=N
Samuel Nußbaum: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=417&filter=N
Am Paradeplatz steht ein Denkmal, das an die über 300 Sinti und Roma aus Würzburg, sowie allen anderen Sinti und Roma erinnern soll, die in der Zeit des Faschismus ermordet wurden. Auch hier war die Schrift teilweise nicht mehr lesbar, so dass hier auch mal wieder geputzt wurde.
Heinrich Fuchs lebte am Ingolstädter Hof in Würzburg. Er ist eines der Opfer der T4-Aktion, die körperlich oder geistig beinträchtigte Menschen zu „unwertem Leben“ erklärte und diese umbrachte. Werner Heyde initierte die T4-Aktion in Würzburg.
Heinrich Fuchs wurde nach Aufenthalt in der Psychiatrischen Klinik Würzburg, der Heil- und Pflegeanstalt Werneck, Reichenbach und Mainkofen mit einem T4-Transport nach Hartheim verlegt und dort am 27.06.1941 ermordet.
Zur Biografie von Heinrich Fuchs: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=546&filter=F
Ehemals stand hier die Schrannenhalle (im Krieg zerstört). Diese Tafel erinnert an die erste Würzburger Deportation. Am 27. November 1941 verließ der erste Transport mit 202 Jüdinnen und Juden aus Würzburg die Stadt. Diese erste Würzburger Deportation gehörte zu der ersten Gruppe der seit Herbst 1941 systematisch durchgeführten Transporte, mit denen das Reichssicherheitshauptamt die „Endlösung der Judenfrage“ in Deutschland einleitete. Mitten in der Nacht hatten die Menschen zu Fuß den Weg von der Schrannenhalle zum Güterbahnhof/Ladehof in der Aumühle zurücklegen müssen. Zunächst wurden die Juden ins Sammellager in Nürnberg-Langwasser (beim Reichsparteitags-Gelände) und am 29. November weiter in das Rigaer Außenlager Jungfernhof deportiert, einen heruntergekommenen Gutshof im besetzten Lettland.
Das Schicksal der 202 Würzburger Kinder, Frauen und Männer lässt sich nur ungefähr rekonstruieren. Viele erfroren oder verhungerten bereits im Winter 1941/42, andere wurden am 26.03.1942 im nahen Wald von Bikernieki an offenen Massengräbern erschossen. 40 Personen aus Würzburg blieben übrig und leisteten bis 1944 im Raum Riga Zwangsarbeit, bevor sie wieder nach Westen gebracht wurden. Am Ende überlebten 16 Menschen diesen Transport, darunter die beiden Würzburger Buben Herbert Mai und Fred Zeilberger.
http://wuerzburgwiki.de/wiki/Deportation_der_Juden
In der Maßstraße 9 1/4, die heute nicht mehr so existiert, lebte Hermann Weissbart. Am 25. April 1942 wurde er nach Kasniczyn deportiert und im Raum Lublin ermordet.
Zur Biografie von Hermann Weissbart:
http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=223&filter=W
Vor der großen Sparkasse in der Hofstraße liegt der Stolperstein Walter Küttenbaums. Walter Küttenbaum wurde am 5. Juli 1941 in der Tötungsanstalt Hartheim ermordet. Auch er wurde bei der T4-Aktion umgebracht.
Zur Biografie von Walter Küttenbaum: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=540&filter=K
An der Ecke Domerschulstraße/Kettengasse liegen die Steine für Selma, Sigismund und Vera Scheidt, sowie für Selma Pollak. Die Scheidts wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo sie zwischen 1942 und 1944 ermordet wurden. Selma Pollak wurde 1941 deportiert und in Riga ermordet.
Ehemals stand in diesem Viertel die Hauptsynagoge Würzburgs. Beim Novemberpogrom am 9. November 1938 wurde die Hauptsynagoge durch SS- und SA-Männer überfallen und Fenster und die Inneneinrichtung zerschlagen, Leuchter und Ritualien zerstört. Die NSDAP richtete danach in der ehemaligen Synagoge ein Parteibüro ein.
Biografien:
Selma Scheidt: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=350&filter=S
Sigismund Scheidt: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=350&filter=S
Vera Scheidt: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=352&filter=S
Selma Pollak (Pollack): http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=418&filter=P
In der Sterngasse 16 liegen die Steine der Ansbachers. Fanny, Nathan, Rebekka, Selma und Simon wurden zwischen 1942 und 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Ihre Biografien:
Fanny Ansbacher: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=65&filter=A
Nathan Ansbacher: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=67&filter=A
Rebekka Ansbacher:http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=66&filter=A
Selma Ansbacher: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=64&filter=A
Simon Ansbacher: http://www.stolpersteine-wuerzburg.de/wer_opfer_lang.php?quelle=wer_opfer.php&opferid=63&filter=A